Oberstufe

W.14 | Standard-Experimente

Eigentlich rechnet man einen Großteil der Aufgaben in der Wahrscheinlichkeitsrechnung mit den immer gleichen Standard-Aufgaben: Würfel, Glücksräder, Urnen (denen entweder mit oder ohne Zurücklegen farbige Kugeln entnommen werden). Hinzu kommen noch diverse Bernoulli Experimente, also Experimente, in denen es nur zwei Ausgangsmöglichkeiten gibt und in denen die Wahrscheinlichkeit gleich bleibt.

 

 

Unter „Standard-Experimente“ fassen wir an dieser Stelle ein paar Typen von Aufgaben zusammen, die vom Grundprinzip her recht einfach sind und immer wieder
in diversen Fragestellungen auftauchen. Es gibt zwei Begriffe, die in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchen, die ich Ihnen natürlich keinesfalls vorenthalten möchte.

Ein Laplace-Ereignis hat man, wenn alle möglichen Ausgänge gleich wahrscheinlich sind. [z.Bsp. eine normale Münze mit jeweils 50% Wahrscheinlichkeit, ein normaler Würfel mit
jeweils 1/6 Wahrscheinlichkeit oder ...] Wenn man die Münze / den Würfel türkt, so dass eine Fläche / eine Seite häufiger oder seltener drankommt ist, hat man kein
Laplace-Ereignis mehr.

Ein Laplace-Würfel (oder ein idealer Würfel, wie er dann auch heißt) ist dementsprechend ein Würfel, bei dem alle Seiten mit der Wahrscheinlichkeit von
genau 1/6 drankommen [zumindest, wenn es sich um einen sechseitigen Würfel handelt]. Wenn man es also „nicht-mathematisch“ ausdrücken will, könnte man sagen: Ein
Laplace-Würfel ist ein ganz normaler Würfel.

Ein Bernoulli-Experiment (Achtung, Nicht zu verwechseln mit „Bernoulli-Verteilung“! Letztere heißt korrekt „Binomial-Verteilung“.) kennzeichnet jedes Experiment, welches:
- zwei Ausgangsmöglichkeiten hat und
- eine immer gleich bleibende Wahrsch. aufweist [also Ziehen MIT Zurücklegen]
Statt „Bernoulli-Experiment“ kann man auch „Bernoulli-Kette“ sagen.

 

W.14.01 | Bernoulli-Experiment

 

Beispiel a.

Eine Münze wird acht Mal geworfen.

a) Mit welcher W.S. fällt nur Kopf?
b) Mit welcher W.S. fällt mindestens einmal Zahl?
c) Mit welcher W.S. ist die Differenz zwischen der Anzahl von Kopf und Zahl vier?

 

Lösung [Bemerkung: Diese Aufgabe fällt sowohl unter Bernoulli-, als auch unter Laplace-Experiment].

Da in der Aufgabe nichts anderes angegeben ist, wird sowohl die W.S. für Kopf, als auch die W.S. jeweils 0,5 sein.

a) Acht Mal Kopf bedeutet: P(KKKKKKKK)=0,5·0,5·0,5·0,5·0,5·0,5·0,5·0,5=0,58

b) Mindestens einmal Zahl beinhaltet viele Fälle:

Das könnte einmal sein, zweimal, dreimal, … bis acht Mal. Bis man alle diese Fälle berechnet hat, wird man alt und grau.
Wir rechnen das also lieber anders. Wir überlegen uns das Gegenereignis, also alle Fälle, die nicht passieren dürfen. In der Aufgabe heißt es: „mindestens einmal“. Was wäre also böse? Antwort: keinmal Zahl! Daher berechnen wir die W.S., dass keinmal Zahl auftaucht und ziehen das Ergebnis von 100% ab.

P(keinmal Zahl) = P(immer Kopf) = 0,58 [siehe Teilaufgabe a)]

⇒ P(mindestens einmal Zahl) = 1–0,58 ≈ 0,996

c) Eine Differenz von vier Mal in der Anzahl von Kopf und Zahl bedeutet, dass nurzwei Möglichkeiten in Frage kommen: sechs Mal Kopf und zwei Mal Zahl oder zwei Mal Kopf und sechs Mal Zahl.

P(6K,2Z). Da ja nicht festgelegt ist in welcher Reihenfolge „K“ und „Z“ auftauchen sollen, gibt es sehr viele Vertauschungsmöglichkeiten. Ein paar davon wären:
KKKKKKZZ, KKKZKZKK, ZKKKKKZK,... Da jede dieser Kombinationen erlaubt ist, müssten wir die W.S. von allen berechnen und dann alle zusammenzählen, was aber etwas zeitaufwändig wäre. Daher kommt an dieser Stelle der Binomialkoeffizient in Spiel. Die Gesamtanzahl aller Würfe ist 8, wir wollen 6 mal K, es gibt also  =28 Möglichkeiten, um 6K und 2Z miteinander zu vertauschen.
Die W.S. für 6mal Kopf ist 0,56, die W.S. für 2mal Zahl ist 0,52.

P(2K,6Z). Eigentlich fast der gleiche Fall wie P(6K,2K).

⇒ P(Differenz von Kopf und Zahl ist vier) = 0,1094+0,1094 = 0,2188
professionelle Schreibweise: P(|K–Z|=4) = 0,1094+0,1094=0,2188

 

Beispiel b.

Bei einem Autorennen kommt erfahrungsgemäß jedes vierte Auto wegen eines Defektes nicht in Ziel. Bei einem erneuten Rennen starten 12 Autos.

a) Mit welcher W.S. erreichen alle Autos die Ziellinie?
b) Gibt es eine reelle Chance, dass kein einziges Auto das Ziel erreicht?
c) Mit welcher W.S. erreicht Heiko [einer der Rennfahrer] das Ziel?
d) Mit welcher W.S. erreichen mehr als 10 Autos die Ziellinie?
e) Mit welcher W.S. erreicht der Sieger die Ziellinie?

 

Lösung:
Wenn jedes vierte Auto die Ziellinie nicht erreicht, beträgt die W.S. für das Ausfallen vor dem Ziels 

a) 

professionelle Schreibweise: (Zuerst definieren wir „X“ als Anzahl der Autos, die ins Ziel kommen.)
Sei „X“ die Anzahl der Autos, die die Ziellinie erreichen. ⇒ P(X=12)=0,7512 ≈ 0,032

b) 

Die Chance, dass kein Auto das Ziel erreicht, ist vernachlässigbar.
professionelle Schreibweise: P(X=0) ≈ 0,00000006

c) Jedes der Autos erreicht die Ziellinie mit einer W.S. von 0,75. Auch Heiko.
P(Heiko erreicht Ziel) = 0,75

d) Mehr als 10 Autos heißt: 11 oder 12 Autos erreichen das Ziel. Die W.S. für 12 Autos haben wir bereits in Teilaufgabe a) berechnet.
W.S. für 11 Autos: Zuerst überlegen wir uns, dass es 12 Möglichkeiten gibt, dass 11 Autos das Ziel erreichen. (Am einfachsten überlegt man dafür, dass es 12 Möglichkeiten gibt, welches Auto das Ziel nicht erreicht. Das kann das 1., das 2., das 3. …. oder das 12. Auto sein). Jede dieser Möglichkeiten trifft mit der W.S. von 0,7511·0,251 ein (11 Autos treffen mit je 0,75 ein, eins trifft mit 0,25 nicht ein).

Die W.S., dass also genau 11 Autos in Ziel eintreffen ist: 12·0,7511·0,25

⇒ P(mehr als 10 Autos) = P(11Autos)+P(12 Autos)=12·0,7511·0,25+0,7512 ≈ 0,159
professionelle Schreibweise: P(X>10) = P(X=11)+P(X=12) ≈ 0,159

e) Natürlich erreicht der Sieger die Ziellinie mit einer W.S. von 100%, sonst wäre er ja kein Sieger.

 

Im Laufe der nächsten Kapitel werden wir ganz viele Aufgaben rechnen, in denen es nur zwei Ausgangsmöglichkeiten gibt und in welchen die W.S. gleich bleibt.
Dieses sind dann alles Bernoulli-Experimente, nur werden wir das nicht immer explizit erwähnen. Daher brauchen wir an dieser Stelle keine weiteren Beispiele!

 

 

 

 

W.14.02 | Würfel

 

         Tetraeder                                      Hexaeder                                     Oktaeder

        (Vierflächner)                                 (Sechsflächner)                           (Achtflächner)

                                                             normaler Würfel

 

Merken Sie sich diese Würfel!

Normalerweise kann man bei Würfeln nichts falsch machen. Allerdings sind bei Würfel-Aufgaben die Aufgabenstellungen oft sehr doof. Fast immer kommen Fragen mit Erwartungswerten mit rein oder die „Dreimal-Mindestens-Aufgabe“ taucht auf...

 

Beispiel c.

Ein Hexaeder und ein Oktaeder, dessen Flächen mit den Zahlen 1-6 bzw. 1-8 durchnummeriert sind, werden beide mit einem Wurf der linken Hand über eine grüne Tischdecke geworfen.

a) Es werden folgende Ereignisse definiert:

A: Die Augensumme der beiden Würfel ist eine Primzahl
B: Es wird ein Pasch gewürfelt.
C: Die Augenzahl des Oktaeders ist um mindestens 2 kleiner als die des Hexaeders.

Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse: A, B, C, A∩B, B∪C.

b) Nun werden beide Würfel (beide jeweils mit einem Griff) 300 mal geworfen.
Jedesmal, wenn die Augenzahl des Oktaeders um mindestens 2 kleiner als die des Hexaeders ist, erhält die Person, die gewürfelt hat, 5 Stockhiebe. Mit wieviel Hieben sollte die würfelnde Person rechnen ?

c) Der Hexaeder rollt einmal unter den blauen Kirschholz-Schrank und kann nicht mehr hervorgeholt werden. Also wird im Folgenden nur der Oktaeder betrachtet.
Wie oft muss mit diesem gewürfelt werden, damit mit 99,5%-iger Wahrscheinlichkeit mindestens einmal die „7“ erscheint?
Wie oft muss gewürfelt werden, damit mit 99,5%-iger WS. mindestens einmal die „1“ erscheint?
(Bemerkung: Dieser Typ von Frage ist unter „Dreimal-Mindestens-Aufgabe“ bekannt. Sie finden die Theorie und Aufgaben hierzu im Kapitel W.14.05)

 

Lösung:

(wir gehen davon aus, dass der erste Würfel der Hexaeder ist und der zweite soll der Oktaeder sein. Man könnte das Ganze natürlich auch anders rechnen.)

a) Primzahlen sind die Zahlen: 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, … (die „1“ zählt also nicht dazu, die „2“ schon!!)
Man muss sich zuerst überlegen, aus welchen Elementarereignissen die Mengen  A, B, C, A∩B und B∪C bestehen.
A besteht aus: [AS=2] (1;1) , [AS=3] (1;2) , (2;1) , [AS=5] (1;4) , (2;3) , (3;2) , (4;1) , [AS=7] (1;6) , (2;5) , (3;4) , (4;3) , (5;2) , (6;1) , [AS=11] (3;8) , (4;7) , (5;6) , (6;5) , [AS=13] (5;8) , (6;7)
Das sind 19 Elementarereignisse. Die Wahrscheinlichkeit für jedes einzelne Elementarereignis liegt bei 

Damit gilt: 

B besteht aus: (1;1) , (2;2) , (3;3) , (4;4) , (5;5) , (6;6)

C enthält: (3;1), (4;1), (4;2), (5;1), (5;2), (5;3), (6;1), (6;2), (6;3), (6;4)

 

A∩B    Die Augensumme muss also eine Primzahl sein UND es muss auch ein Pasch sein.
           Da kommt nur (1;1) in Frage (einfach gucken was für Elementarereignisse
           [=Klammern] bei A und bei B gemeinsam sind)

           

B∪C   Es muss ein Pasch gewürfelt werden ODER die Augenzahl des Heaxaeders ist mindestens um 2 kleiner als die des Hexaeders
          [oder beides, was es aber in dieser Aufgabe nicht gibt].
          Durch unseren messerscharfen Verstand sind wir in der Lage, die bereits notierten Elementarereignisse von B und C zu vergleichen

          

b) Erstmal: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Augenzahl des Oktaeders um mindestens 2 kleiner ist als die des Hexaeders haben wir schon in a) berechnet.
Die Wahrscheinlichkeit dafür lag bei 5/24 ≈ 0,208, das rechnen wir natürlich nicht noch einmal.
Nun sollten wir wissen, wie oft man bei 300 Würfen durchschnittlich einen Wurf hat, bei dem die Oktaederaugenzahl um 2 kleiner als die des Hexaeders ist.
Das ist natürlich 300 · 0,208 = 62,4 mal.
Die würfende Person sollte also mit 62,4 · 5 = 312 Stockhieben rechnen.
(Auah.)

c) Das Problem: Da wir nicht wissen, wie oft gewürfelt wird, können wir mit „mindestens“ einmal nicht viel anfangen. Das kann nämlich 1,2,3 .... ?? sein.
Deswegen rechnet man diesen Aufgabentyp immer mit dem Gegenereignis. Das, was nämlich nicht passieren darf, ist dass überhaupt keine „7“ auftaucht.
Damit gilt: P(mindestens einmal „7“) = 1 – P(keinmal „7“)
Die WS. keine „7“ zu werfen, ist bei einem Wurf  0,875, bei einer Anzahl von n Würfen ist die WS. also 0,875·0,875·0,875·0,875·0,875·.... = 0,875n
Damit gilt: P(mindestens einmal „7“) = 1 – P(keinmal „7“) = 1 – 0,875n

(1) ln(0,875) ist negativ, damit dreht sich das Vorzeichen der Ungleichung um.

Es muss also öfter als 39,68 gewürfelt werden, man muss also mindestens 40 mal würfeln.
( Ob man dabei eine „7“ oder „1“ würfeln soll, ist egal, da P(7)=P(1) )

 

 

 

 

W.14.03 | Glücksräder

Rechnungen zu Glücksräder laufen im Normalfall genau gleich wie bei Würfeln.
Stellt Sie sich mal zwei Glücksräder vor: das eine wird in sechs gleich große Sektoren aufgeteilt und mit den Zahlen 1-6 beschriftet, das andere Glücksrad wird in acht gleich große Sektoren mit den Beschriftungen 1-8 aufgeteilt.
Nun könnte man eine Aufgabe erstellen, die der letzten Würfel-Aufgabe (Beispiel c.) aufs i-Tüpfelchen gleicht. So eine Aufgabe kriegen Sie jetzt natürlich nicht.
Sie kriegen jetzt dumme Glücksräder-Aufgaben.

 

Beispiel d.

Ein Glückrad wird in sechs gleich große Sektoren eingeteilt. Einer der Sektoren trägt die Aufschrift „1“, auf zwei der Sektoren steht die „2“ und auf drei Sektoren steht die „3“.
Nun wird das Rad drei Mal gedreht.

a) Mit welcher W.S. erscheinen bei allen Drehungen die gleichen Zahlen ?
b) Mit welcher W.S. erscheint bei jeder Drehung eine unterschiedliche Zahl?
c) Mit welcher W.S. tauchen die Zahlen in aufsteigender Reihenfolge auf?
d) Mit welche W.S. taucht die „1“ nicht auf?
e) Mit welcher W.S. taucht die „2“ genau zwei Mal auf?

Lösung

Die W.S. der drei Zahlen pro Drehung sind: 

a) Es sollten nur die drei Möglichkeiten „111“, „222“ und „333“ auftauchen.

b) Die Zahlen „1“, „2“ und „3“ tauchen jeweils einmal auf, allerdings in unterschiedlichen Vertauschungsmöglichkeiten. Wieviel Vertauschungsmöglichkeiten gibt es überhaupt? Wir gehen das Ganze so an: Bei der ersten Drehung darf noch jede der drei Zahlen auftauchen. Bei der zweiten Drehung dürfen nur noch zwei Zahlen auftauchen [die Zahl der ersten Drehung ist ja nicht mehr erlaubt]. Bei der dritten Drehung kann nur noch eine Zahl auftauchen. Es gibt daher 3·2·1=6 Vertauschungsmöglichkeiten. [Man kann natürlich auch alle sechs aufschreiben: 123,132,213,231,312,321].

c) Wenn die drei Zahlen „1“, „2“ und „3“ in aufsteigender Reihenfolge erscheinen sollen, gibt es natürlich nur eine einzige Möglichkeit, nämlich: 123

d) Die W.S., dass die „1“ bei einer Drehung nicht auftaucht ist: 

Damit ist die W.S., dass die „1“ bei drei Drehung nicht auftaucht ist:

e) Vorbereitend überlegen wir uns, dass die „2“ bei einer Drehung eine W.S. von  hat und W.S., dass die „2“ nicht auftaucht ist: .

Bei drei Drehungen soll nun genau zwei Mal eine „2“ auftauchen. Hierfür gibt es die Möglichkeiten: „222“, „222“, „222“. Die W.S. hierfür liegt bei:

 

 Beispiel e.

Zwei Glückräder R1 und R2 werden gemäß den folgenden Abbildungen in mehrere Sektoren eingeteilt und jeweils einmal gedreht.

a)
Mit welcher Wahrscheinlichkeit liefert „R1“ den Jungen ?
Mit welcher Wahrscheinlichkeit liefert „R2“ das Mädchen ?

b)
Mit welcher WS. wird der Junge Seemann (R1=Junge, R2=Anker) ?
Mit welcher WS. wird das Mädel Feuerwehrfrau (R1=Feuerwehr, R2=Mädchen) ?
Mit welcher WS. gibt es heiße und ewige Liebe (R1=Junge, R2=Mädchen) ?

c)
Mit welcher WS wird der Junge kein Fußballer (R1=Junge, R2≠Fußball) ?
Mit welcher WS kriegt das Mädel keine Erdbeere (R1≠Erdbeere, R2=Mädchen) ?
Mit welcher WS. erscheint der Anker nicht ?

Nun wird nur noch R2 gedreht, dafür beliebig oft.

d)
Wie oft muss R2 gedreht werden, damit das Nähgarn mit einer W.S. von mindestens 99,8% mindestens einmal erscheint?

Lösung:

a) R1 ist in drei gleiche Sektoren aufgeteilt. Damit gilt

Bei R2 haben wir für jeden Sektor Winkelangaben. Der Vollkreis hat 360°

=> 

d) P(Nähgarn erscheint mind. einmal) ist mindestens 99,8%:
[Wir können leider nicht genau angeben wie oft das Nähgarn erscheinen soll. Da es mindestens einmal erscheinen soll, kann es 1,2,3,... mal erscheinen. Das sind zu viele Möglichkeiten. Daher rechnen wir mit dem Gegenereignis. Das Gegenereignis von „mindestens 1-mal“ ist „höchstens 0-mal“, was natürlich gleichbedeutend mit „keinmal“ ist].
(Nähgarn erscheint mindestens einmal) > 0,998 ⇔ 1 – P(Nähgarn erscheint gar nicht) > 0,998
[Die Wahrscheinlichkeit, dass das Nähgarn bei einer Drehung nicht erscheint, ist, laut Glückrad, 5/6.
Da das Glücksrad nun „n-mal“ gedreht wird, wird auch 5/6 n-mal mit sich selbst multipliziert.]

 

 

 

 

W.14.04 | Urnen

 

Beispiel f

Gegeben sei eine Urne mit 5 blauen, 4 pinken und gelben Kugeln. Drei Kugeln werden ohne Zurücklegen entnommen.

Es werden folgende Ereignisse definiert:
A : die erste Kugel ist blau
B : die erste Kugel ist nicht rot
C : die zweite Kugel ist pink.
D : die zweite Kugel ist gelb.
Geben Sie folgende Ereignisse in Worten vereinfacht wieder und bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeiten.

 

Lösung:

 

 

 

 

W.14.05 | Drei Mal mindestens

Es gibt einen Typ von Aufgabe, der taucht seit Jahrzehnten regelmäßig immer in der gleichen Form auf. Theoretisch könnte man die Aufgaben also auswendig lernen [was ich aber natürlich so nicht sagen darf, denn das wäre ja unpädagogisch].
Man erkennt die Aufgaben immer daran, dass drei mal das Wort „mindestens“ drin vorkommt [oder Synonyme].
Es sind keine besonderen Theorie-Kenntnisse notwendig, jedoch sind die Aufgaben nur sehr schwer lösbar, wenn man noch nie eine davon gemacht hätte.
[siehe auch Beispiel c. aus Kapitel W.14.03 oder Beispiel e. aus Kap. W.14.03]

 

Beispiel g.

Wie oft muss man eine ideal Münze mindestens werfen, um mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 90% wenigstens einmal „Kopf“ zu erzielen?

Lösung:

Die W.S. bei einem Wurf „Kopf“ zu erzielen ist natürlich 50%.
Wir schreiben uns die Frage der Aufgabenstellung mathematisch auf:

P(mindestens einmal „Kopf“) > 90%
[Mindestens einmal Kopf zu haben ist recht ungeschickt. Es enthält die Fälle: einmal Kopf, zweimal Kopf, dreimal Kopf, … viele Fälle. Wir arbeiten lieber über´s Gegenereignis. Das Gegenereignis von „mindestens einmal“ ist „keinmal“. Daher schreiben wir P(mindestens einmal „Kopf“) um, zu 1–P(keinmal „Kopf“)].

      1 – P(keinmal „Kopf“) > 0,90
[Keinmal „Kopf“ bedeutet: beim ersten Mal kein Kopf, beim zweiten Mal kein „Kopf“, … Da wir nicht wissen wie oft geworfen wird (das ist ja gefragt) heißt das: n Mal.]

 

Beispiel h.

Wie oft muss man mit jeweils zwei sechsseitigen Würfeln würfeln, um mit einer W.S. von mindestens 99,9% wenigstens einmal ein Vierer-Pasch zu erzielen?

Lösung:

„mindestens“, aber sinngemäß steckt es doch drei Mal drin. Schließlich kann man die Aufgabe auch so formulieren: „Wie oft muss man mit jeweils zwei sechsseitigen Würfeln mindestens würfeln, um mit einer W.S. von mindestens 99,9% mindestens einmal ein Vierer-Pasch zu erzielen?“

Bevor wir jedoch mit der Standardlösung für eine Dreimal-Mindestens-Aufgabe beginnen, benötigen wir jedoch noch die W.S. für ein Vierer-Pasch.

Nun beginnen wir die typische Lösung der „Dreimal-Mindestens-Aufgabe“.
Gefordert ist: P(mindestens ein Vierer-Pasch) > 99,9%
⇔   1–P(kein Vierer-Pasch) > 0,999    | –1
      -P(kein Vierer-Pasch) > -0,001          |·(-1)
       P(kein Vierer-Pasch) < 0,001
[Die W.S. dass bei einem Wurf kein Vierer-Pasch fällt, liegt bei 35/36. Da wir jedoch nicht einen Wurf haben, sondern unbekannt viele, haben wir auch unbekannt viele Brüche. Für jeden Wurf einen.]

 

 

Beispiel i.

In einem Korb liegen 36 Äpfel, wovon leider drei Viertel verwurmt sind. Karl-Otto will dieses prüfen und entnimmt daher einen Apfel nach dem anderen, betrachtet jeden sorgfältig und legt ihn danach wieder in den Korb zurück.

Wieviel Äpfel muss Karl-Otto mindestens dem Korb entnehmen, um mit einer W.S. von mehr als 85% wenigstens einen wurmfreien Apfel begutachtet zu haben?

Lösung:

[Zuerst schreiben wir den gegebenen Text mathematisch auf.]    P(mindestens ein wurmfreier Apfel) > 85%

[Wir betrachten das Gegenereignis]      1–P(kein wurmfreier Apfel) > 0,85

 

 

 

 

W.14.06 | Totale Wahrscheinlichkeit

Was ist überhaupt eine totale Wahrscheinlichkeit?
Man spricht von einer totalen W.S., wenn ein Merkmalen in mehreren Unterfällen auftaucht.

 

Beispiel j. [die Zahlen sind frei erfunden]

Wir unterteilen die Menschheit mal kurz in drei Altersgruppen:
1. U20 [Kinder/Jugendliche im Alter unter 20], 2. E [Erwachsene], 3.Ü65 [Rentner über 65].

Nun betrachten wir die Tage, an denen die Menschen krank sind. Dieser Faktor „krank“ taucht in allen drei Untergruppen auf: in U20, in E und in Ü65. Wenn ich also wissen will, wieviel Prozent der der gesamten Menschheit krank ist, muss ich wissen, wieviel Kranke es in U20, E und Ü65 gibt, aber ich muss auch unbedingt wissen welchen prozentualen Anteil die drei Gruppen U20, E und Ü65 ausmachen.

Nehmen wir folgende Zahlen an:
U20 macht 25% der Bevölkerung aus, E macht 40% der Bevölkerung aus, Ü65 macht 35% aus. Von U20 sind 3% krank, von E sind 2% krank und von Ü65 sind 5% krank.

Das Ziel der Aufgabe soll sein, die prozentuale Häufigkeit von „krank“ in der Gesamtbevölkerung zu bestimmen. Weil ich dieses Merkmal „krank“ aus mehreren Untergruppen bestimmen muss, spricht man von einer totalen Wahrscheinlichkeit.

Lösung:

Zuerst zeichnen wir einen Baum.

 

Nun erkennen wir: Oh! Das Merkmal „krank“ taucht drei mal auf, die W.S. für „krank“ berechnet man aus drei Verästelungen.

P(krank) = P(U20,k)+P(E,k)+P(Ü65,k) =
             = 0,25·0,03+0,40·0,02+0,35·0,05 =
             = 0,033
Nun haben wir die totale Wahrscheinlichkeit berechnet.

 

Beispiel k.

Der Trainer des Athleten Axel Schways weiß nicht immer, ob Axel bei seiner Freundin übernachtet hat oder nicht. An jenen Tagen, an denen Herr Schways jedoch durch eine Bemerkung klar macht, wo er übernachtet hat, stellt der Trainer etwas Interessantes fest: Wenn Axel nicht bei seiner Freundin übernachtet hat, erbringt er in 90% aller Fälle eine gute Trainingsleistung. Wenn Axel ganz sicher bei seiner Freundin übernachtet hat, sieht er etwas abgeschlafft aus und bringt nur in 60% aller Fälle eine gute Leistung. Der Statistik zufolge, die Axels gesamten Tage beinhaltet, kann man entnehmen, dass die Leitung in 78% aller Fälle gut bezeichnet werden kann.

Wie häufig übernachtet Axel bei seiner Freundin ?

Lösung:

Diese Aufgaben sind immer gleich aufgebaut:
Es gibt erstmal zwei Möglichkeiten, deren Wahrscheinlichkeit man nicht kennt. In dieser Aufgabe sind es die Möglichkeiten, ob Axel bei seiner Freundin übernachtet oder alleine, bei sich zu Hause.

Da wir nicht wissen, mit welcher Häufigkeit er bei seiner Hübschen pennt, nennen wir diese Häufigkeit „x“. Die WS., dass er daheim pennt, ist damit natürlich „1–x“.
Jede diese genannte Möglichkeiten beeinflusst wiederum zwei „Untermöglichkeiten“ [in dieser Aufgabe eine gute oder schlechte Trainingsleistung]. Die WS. dieser „Untermöglichkeiten“ kennen wir. Das Entscheidende ist jedoch, dass wir die Gesamtwahrscheinlichkeit kennen. Wir wissen in diesem Fall also, wie häufig er insgesamt eine gute (oder schlechte) Trainingsleistung erbringt.

Laut Baum berechnen wir die WS. für eine gute Trainingsleistung über die beiden Pfade:
P(gute Tr.L.) = P(Freundin,gute Tr.L.)+P(daheim,gute Tr.L.) = x·0,60+(1–x)·0,90

Da Axel Schways in 78% aller Tage gut ist, kann man folgern: x·0,60 + (1–x)·0,90 = 0,78

Diese Gleichung lösen wir einfach nach „x“ auf und erhalten: x·0,60+(1–x)·0,90=0,78 ⇔ 0,6x+0,9–0,9x=0,78 ⇔ -0,3x=-0,12 ⇔ x=0,4

Wir wissen also, dass Axel an 40% aller Tage sich nachts bei seiner Freundin „sportlich“ betätigt.

 

Beispiel m.

Kai Pirinha ärgert sich, dass ca. 10% von dem Gemüse, welches er einkauft bereits nach 3 Tagen im Kühlschrank vergammelt. Als er der Sache nachgeht, stellt er fest, dass das vergammelte Gemüse in 25% aller Fälle aus dem Edeka stammt, jedoch nur zu 5% aus dem Bioladen.

Welchen Anteil seines Gemüses holt er im Bioladen ?

Lösung:

Wir wissen, dass der Gesamtanteil seines vergammelten Gemüses 10% beträgt.

 

Das gesamte, vergammelte Gemüse setzt sich aus 2 Pfaden zusammen:   x·0,05 + (1–x)·0,25

Damit wissen wir:

x·0,05+(1–x)·0,25 = 0,10
0,05x+0,25–0,25x = 0,10   |-0,25
-0,2x = -0,15                    | : (-0,2)
x = 0,75

Kai Pirinha holt also 75% von seinem Gemüse aus dem Bioladen.